Nachtdigital No. 13
Der Deal war klar: Im Dezember muss man schnell sein, um im August entspannen zu können. Die Tickets für das Nachtdigital-Festival im wunderbar provinziellen Olganitz waren nach wenigen Tagen restlos ausverkauft, obwohl keiner wusste, welche Künstler die musikalische Unterhaltung übernehmen würden. Eigentlich ist das beim Nachtdigital schon fast nebensächlich. Denn keiner hat je ein familiäreres, entspannteres, detailverliebteres, schöner dekorierteres und dennoch durchorganisierteres Festival erlebt.
Bei unsere Ankunft kurz vor Öffnung des Geländes campierten bereits etliche Leute vor dem Eingang. Kurz nach dem Einlass öffnete sich auch ein daneben abgestellter Bauwagen. Von diesem wurden die ankommenden noch aus der Welt der Duddelmusik verabschiedet. Eine lustige Kombo spielte mehr schlecht als recht alle möglichen Pop-Hits, u.a. von David Hasselhoff – ein herrlicher Gag.
Auf dem Weg zum Zeltplatz kommt man ein erstes mal an der Bühne vorbei. Vor dieser stehen zwei- oder dreihundert weiße Holzstühle. Was soll das den Bitte? Fängt der Abend mit tanzuntauglicher Hörmusik an? Weiter geht es über das liebevoll dekorierte Gelände. Zeltplatz gefunden, Zelt aufgebaut, Bier aufgemacht, Grill angeschmissen, Freunde begrüßt, noch ein Bier aufgemacht. Plötzlich ist es da – dieses entspannte Festivalfeeling. Fehlt nur noch die Musik.
Kurz vor dem Einsetzen der Dunkelheit startet diese. Kein langsamer Anfang – auf der Bühne startet Wesley Matsell gleich ordentlich durch. Gerade noch härterer Tech-House würde ich mal sagen. Und siehe da: Die Stühle von der Bühne sind eine Art interaktive Deko. Die Leute stellen sie weg um zu Tanzen, nehmen sich welche um sich in den See zu setzen oder verschönern die vorhandenen Skulpturen damit – der Ahh-Effekt setzt ein!
Ich finde mich mit einem Bier und einer Gänsehaut im zweiten Floor, dem Zirkuszelt, wieder. OneTake lässt mich nicht mehr los – House, dann wird es irgendwie detroitig-duster, dann immer breakiger und schließlich endet sein Set mit einigen richtig schön dunklen Dubstep-Scheiben. Ich bin hin und weg. Eine ganz andere Musik als erwartet, aber genau deswegen ein Volltreffer. Ich pendle noch eine Weile zwischen den Floors und Gesprächen bevor ich erschöpft und glücklich in den Schlafsack falle.
Mit den ersten Sonnenstrahlen geht es an den See, von wo aus man die Musik, die Sonne, das Frühstück, die eigene Trägheit und die der anderen genießen kann. Ach James Holden ist der Typ der da grad spielt? Geht schon. Nachher Bennemann. Pflichtprogramm, bei seiner Trackauswahl. Aber auch er spielt schneller als erwartet. Hatte da nicht gestern noch jemand gesagt, dass die Nachtdigital jedes Jahr langsamer und gediegener werde? So kann man sich täuschen.
Dann der Festivaltag mit Suche nach Schlaf, Schatten, Entspannung, Gesprächen und über allem liegt die Vorfreude auf die wieder einsetzende Musik. Die habe ich dann erst mal verpasst, weil ich den Typen mit der Gitarre auf der Bühne beim Soundcheck wähnte, dabei war es wohl sein Auftritt. Macht ja nichts. Danach, gegen 16 Uhr, als sich alle an die Hitze gewöhnt hatten, fing Band Ane an. Zwei dänische Mädels die eine herrlich entspannte Ambient- und Electronicamusik fabrizierten. Genau das richtige Nachmittagsprogramm. Das letzte Lied wird angekündigt, beginnt sanft, wie gehabt. Doch dann ein kurzes Break und aus den Boxen wummert 1a 90er Rave-Techno. Alles springt auf, sieht sich erstaunt um und sieht wie sich die zwei Mädels, Furien gleich, auf der Bühne die Seele aus dem Leib tanzen. Staunen, Lachen, ein toller Gag!
Sensual und Fantastikoi Hxoi machen mit entspannten Tönen weiter, wenn auch nicht mit der gleichen Wirkung auf mich. Der nächste Liveact (neun Stück an diesem Abend, bei nur fünf DJs/DJ-Teams) heißt Karocel, besteht aus der Band Marbert Rocel und Matthias Kaden und bringt schön tanzbare Housemusik aus den Boxen. Bewegung allenthalben. Anschließend lassen Supermayer (Michael Mayer und Superpitcher) mit groovendem, leicht maschinellem Sound die Leute nicht mehr von der Tanzfläche. Im Zelt spielt Theo Parrish eine Mischung aus extrem langsamen House und Disco und Funk. Für meine Beine um diese Tageszeit zu deutlich zu langsam, aber auf jeden Fall was fürs Auge: Wie auf dem Klavier spielt er blind und ständig etwas verändernd auf dem Mischpult. Habe ich so noch nicht gesehen.
Bei sehr angenehmen Wetter verbringe ich den Rest der Nacht vor der Freiluftbühne. Nach Ada (live) spielt Redshape (auch live) einen sehr derben, harten, acidgeschwängerten Sound. Yeah, so übersteht man die Dunkelheit. Dann groovt Margret Digas mit kurzweiligem Minimal-House (ja sowas gibt es) noch stundenlang zum beginnenden Tag, bevor Manamana ihren sehr facettenreichen Housesound kredenzen. Diesen genieße ich wieder am See sitzend, mich an meinem Glückshormoncocktail berauschend.
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