populario 2006 – Populärmusik aus Hoyerswerda
Das Wetter ist gut, die Musik ist laut und wir sitzen auf einer Wiese am Waldrand: POPULARIO 2006 – und wir mittendrin. Zur Abwechslung mal kein electronic music open air rave spektakulum, aber trotzdem eine kleine Reise wert. Freitag mit Northern Lite, Virginia Jetzt und Hund am Strand. Samstag mit Kate Mosh, den Shout Out Louds und vor allem: Tocotronic.
Am Freitag treffen der Reporter und die Fotografin pünktlich gegen acht auf dem Gelände ein, nicht ohne sich vorher über die kreative Idee „rote Schrift auf schwarzem Wegweiserschild“ gewundert zu haben. Aber mit Geduld und Spucke fängt man eine Mucke und so haben wir Nardt inklusive kleinem Wiesenflugplatz auch irgendwann gefunden.
Zunächst sah’s nach wenig Betrieb aus, aber dann war’s doch ein ganz ordentlich langer Weg durch die Zeltstadt. Viele junge Menschen, entspannte Stimmung, ruhiger Himmel. Laut hallt der Rock über die Wiesen und hallt vom Waldrand wieder. Entspannt und schön. Vor der Bühne auch während der Umbauphasen gute Stimmung, gar nicht so schlimm überbrückt von Fritz-Moderator und Ex-SCYCS-Sänger Stefan Michme. „Alle Igel an den Waldrand!“ (kleiner Insiderspass) ;-)
Musikalisch war der Freitag ok, Winson macht gute Musik und unterhaltsame Zwischenbemerkungen, die ganz großen Momente waren aber selbst bei Northern Lite nicht da, obwohl die sich durch kollektives schwarze-Augenringe-malen ein dodal evil Image geben wollten. Na ja, für Freitag war’s gut, aber am Samstag wären sie untergegangen. Virginia Jetzt zeigten mir dann wieder, dass zu dezent gehaltene deutsche PopRockMucke einfach nicht mein Ding ist. Tat der guten Stimmung auf dem Tanzplatz aber keinen Abbruch. Eine kleine Enttäuschung dann ab 01:00 Uhr das DJ-Set von Lexy & K-Paul, die wohl erkannt hatten, dass der durchschnittliche Festivalbesucher eher wenig Sinn für subtiles Elektronikspiel hatte und die daher auch bereit waren, Bekannteres zum Besten zu geben. Das war dann nix für uns und so sattelten wir nach ner halben Stunden Hit-House die Hühner und ritten nach BZ. Vielleicht haben sie nachher das Ruder noch rumgerissen, aber da waren wir schon on the road again.
Der Samstag begann für uns gegen viertel vor 6 mit der bereits dritten Band des Tages – Rhesus und Dorfdisko waren vorher bestimmt auch toll. Die Berliner Lokalmatadoren von Kate Mosh starteten unseren Festival-Abend mit starkem Indiesound, angesiedelt irgendwo zwischen intelligentem Musikdesign und wohltemperiertem Krach. Gänsehaut beim letzen Song (“Streicher“ vom aktuellen Album BREAKFAST EPIPHANIES) und alles gut.
Chikinki verpassten wir auf dem Weg zum Basis-Lager, The Robocop Kraus und die Shout Out Louds vergingen mit zu erwartendem Rock ohne große Höhepunkte. Und wie wir schon langsam ein bisschen den guten Festival-Charakter vermissen wollten, da begann dann mit den zwei letzten Bands doch noch alles richtig gut zu werden: Phillip Boa inklusive Voodooclub zuerst … und man kann von arrogant auftretenden Sängern halten was man will … und da ist es auch egal ob Herr Boa wirklich die Texte während des Auftritts abgelesen hat, wie von hinter der Bühne später berichtet wurde … gute Musik, spannende Bühnenshow und das gewisse „Etwas“ ließen den fast schon ausklingenden populario – Abend plötzlich noch mal mit ganz neuem Schwung abgehen. Sehr erlebenswert – und nur noch zu toppen durch den unumstrittenen Headliner des Wochenendes: Müller, Zank & von Lowtzow.
Tocotronic. Eine Band, die „für manchen sogar eine Lebenseinstellung“ begründet haben mag, wie das nette Programmheftchen mutmaßte. Der alternde und mittlerweile gesetzte Reporter mitten im Pulk vor der Bühne, springen, wogen, Hände in den Himmel, das war Tocotronic. Immer wieder überraschend wie die live auch aus ruhigeren Nummern fetzige Rockabende flechten können. Ne gute Mischung aus älterem Material und aktuellen Nummern ließ den Schweiß in Strömen fließen, meine Schuhe sind jetzt kaputt und das weiße Hemd wird wohl nie wieder richtig hell werden, aber es war geil.
Nach langem rocken und crowd-surfen kam dann der letzte Song … „So jung komm’ wir nicht mehr zusammen“ … und mit wohlgeübter Rocker-Attitüde endete alles in endlosem Gitarren-Feedback und brummenden Röhrenverstärkern, Gitarren lagen auf dem Boden und Kabel wurden in Stecker gebrummt, die dafür sicher nicht vorgesehen waren. Und über all dem derben Rock-Krach kommt eben jener Dirk von Lowtzow an den Rand der Bühne, Melodie und Rhythmus sind längst im Lärm untergegangen und dann singt er frei ein letztes Mal „so jung komm’ wir nicht mehr zusammen!“ und die Band verschwindet in ihrer Wolke der Unwissenheit und beendet damit dieses fünfte populario auf verdammt würdige Weise. Sehr stark. Sehr schön.
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